ARC 2016 - BERICHT VON DAVID HÖLLINGER

ARC 2016 BERICHT

 

Hier ist der komplette Bericht zur ARC 2016 von David Höllinger.

 

Viel Spaß beim lesen.


ARC 2016

Die GODSPEED SAIL RACING ACADEMY e.V. nahm dieses Jahr mit ihrer vereinseigenen Yacht, einer X41 One Design, am ARC - Atlantic Ralley for Cruisers - teil. Von insgesamt 250 Yachten in verschiedene Kategorien eingeteilt, fand sich die GODSPEED in der Racing Division B mit 13 Gegnern wieder. Das Team, bestehend aus 9 Österreichern, ist der heimischen Offshore Regattaszene großteils wohl bekannt und stellte sich zum ersten Mal der Herausforderung, die knapp 3000 Meilen über den Atlantik nonstop von Las Palmas nach St Lucia zu überqueren.

Peter Steinkogler - Skipper, Steuermann

Michael Burgstaller - Co-Skipper, Meteorologe, Routing

David Höllinger - Steuermann, Social Media

Thomas Reisinger - Steuermann, Trim

Jörg Deimling - Trim, Bordelektrik

Robert Treml - Trim, Floater

Andreas Kudla - Trim, Bordinstallationen

Markus Schöfmann - Trim, Satellitenkommunikation

Vera Geck - Trim, F&B-Management

Nach dem Übersteller von Biograd nach Las Palmas (Gran Canaria) war nur sehr wenig Zeit, das Schiff, welches ohnehin schon in sehr gutem Zustand war, zusätzlich mit Watermaker und Windgenerator auszurüsten. Dieser sollte nicht nur Diesel zur Stromerzeugung sparen, sondern auch der Watermaker an mitzuführenden Trinkwasser eine 1/2 Tonne an Gewichtsersparnis einbringen und damit natürlich das Boot von Anfang an schneller machen.

Die an dieser Stelle handelnden Crewmitglieder waren Mike Burgstaller und Andreas Kudla, die Sensationelles leisteten und den Watermaker von Ech2o Tech - ein Modell, welches relativ unkompliziert nachzurüsten ist, auf der GODSPEED installierten. Den Windgenerator montierten Jörg Deimling und Markus Schöffmann am Heck, mit einer Konstruktion die keine zusätzlichen Fixverstrebungen an Bord benötigte. 

Der Watermaker von Ech2O Tech, ist eine gute Lösung für die GODSPEED, nachdem die Komponenten alleinstehend und einfach zu reparieren sind. Die vielen einzelnen Komponenten verlängerten die Einbauzeit, garantierten aber andererseits die Funktionalität.  Am Abend vorm Start lief die Yacht zum ersten Probelauf des Watermakers aus. Robert und David fuhren währenddessen zum Supermarkt und kauften 100 Liter Wasser als Notreserve. Eine Stunde später stand fest, dass sowohl der Watermaker als auch der Windgenerator ihre Dienste verrichteten. Die Notreserve blieb natürlich trotzdem an Bord. (Safety First!)

Beim Auslaufen der ARC Yachten fanden sich hunderte Zuschauer, Angehörige und Fans an der Hafenmole ein. Die Stimmung, unterstützt von einer lokalen Blaskapelle, war imposant und ermutigend. Ein Abschied, der weltweit bei anderen hochkarätigen Regatten seines Gleichen sucht. Am Weg zur Startlinie noch kurz das Unterwasserschiff gereinigt kamen wir 10 Minuten vor dem Start zum Startgebiet. Startschuss, 0-Start, Spinnaker gesetzt und los gings.

Wir konnten von Anfang an durch taktisch brilliante Schläge unseres Skippers und Taktikers, Peter Steinkogler, mit den anderen, wesentlich schnelleren Racern unserer Klasse mithalten. Bis zum Tag 3 kämpften wir mit Flauten in Lee der anderen kanarischen Inseln. Diese Flauten nahmen wir trotz Warnung beim Skippersbriefing in Kauf um das nördlichste Boot zu sein, was für die Taktik der folgenden Tage von großer Bedeutung war. Kurz darauf waren wir in unserer Klasse auch schon in Führung.

Die Crew war sehr guter Dinge betreffend der bevorstehenden Atlantiküberquerung und wir surften mit knapp 10 Knoten Halbwind, als von der Kante mehrere Rufe ertönten: "WALE!!" Wenige Sekunden später kollidierten wir mit einem der Wale, welcher direkt vor unserem Bug auftauchte. Es war absolut unmöglich den Unfall zu verhindern, nachdem wir den Wal direkt unter uns nicht sahen. Der erste Impact passierte am Bug der GODSPEED und delaminierte, wie wir später feststellten, zwei Lagen des sehr stabil gebauten Schiffs. Der zweite Impact unmittelbar danach, mit deutlich geringerer Geschwindigkeit, passierte am Kiel der Yacht. Der Wal war offensichtlich schwer verletzt, worauf Sekunden später ein zweiter Potwal versuchte, sich schützend zwischen den verletzten Wal und uns zu platzieren. Wir erkannten dieses Verhalten als Attacke, reagierten geistesgegenwärtig und sahen den Wal knapp einen Meter hinter unserem Heck auftauchten. Dieser flößte uns mit seiner Größe und Kraft richtig Respekt ein.  Peter nahm die bei der Kollision gefierte Großschot dicht und sagt nur: "nichts wie weg hier". Es dauerte eine Weile, bis wir uns von diesem Schock erholt hatten und uns darüber klar wurden, dass wir gerade so einem Walangriff entkommen sind. Ein GFK-Schaden am Bug unter der Wasserlinie, ein kaputtes Head-Up Display und eine defekte Steueranlage waren die Folgen. Wassereintritt hatten wir keinen. Diese Geschichte war bei nächtlichen Surfs bis St Lucia (mit bis zu 16,7 Knoten) immer in unseren Hinterköpfen. Was, wenn da auf einmal wieder ein Wal auftaucht? Es dauerte bis zum elften Tag als wir erneut einer Walschule begegneten. Wieder in unmittelbarer Nähe aber ohne Zwischenfälle.

Zurück zur Route: Da es bis zum Start nicht absehbar war, dass sich in nächster Zeit der Passat-Wind auf der klassischen Südroute entwickeln wird, wählten wir einen deutlich nördlicheren Kurs. Ein großes Tief mit extrem schwachen Winden auf dem direkten Kurs nach St Lucia zwang uns und einen Großteil der anderen Boote in der Racing Division zu einem ziemlich großen Umweg. Unsere Wettererwartungen auf der "Barfußroute" waren ganz klar... Sonnenschein, Raumwind und langgezogene Wellen. Die Sonnenstunden in den ersten 8 Tagen konnten wir an 2 Händen abzählen, nass wurden wir von oben und von unten und die starke Kreuzsee machte das Segeln unter Spinnaker nahezu unmöglich. Am Tag 5 ging bei 35 Knoten Wind unser Starkwindspinnaker in die Knie und am Tag 8 folgte der Spinnaker S2. Übrig blieben der Gennaker und der Leichtwindspi. Den Gennaker hatten wir in den darauffolgenden Tagen ununterbrochen im Einsatz. Den letzten Spinnaker mussten wir unbedingt schonen, da wir auf den letzten 1000 Meilen unserer Route schwache bis mäßige achterliche Winde erwarteten, welche sich nach einer zweitätgigen Flaute auch ausbildeten.

In dieser Flaute mussten wir die Führung in unserer Gruppe an ein russisches Profiteam auf der Segelyacht Mobile 53 - Anna - abgeben. Auch die Finnen auf einer Swan 57 - Lintu - mit einem Whitbread-Crack an Bord konnten uns etwas weiter nördlich überholen. Als am Tag 11 der Wind zurückkam starteten wir unsere Aufholjagd. Wir konnten sowohl auf Anna als auch auf Lintu täglich ein paar Meilen gut machen. Die Grip-Files am Tag 12 brachten eine neue Ausgangssituation, nach denen die rund 300 Meilen vor uns liegende Anna auf ihren letzten 100 Meilen in ein paar Tagen nur mehr sehr schwachen Wind zu erwaten hatte. Zur selben Zeit hatten wir 20 Knoten Raumwind und surften im Schnitt mit 12 Knoten Richtung St. Lucia. Unsere Chance auf den Gruppensieg!!!

Bis in den frühen Morgenstunden des 15. Tages auch unser letzter Spinnaker aus den Lieken fiel. Die permanente Belastung bei Böen bis 28 Knoten und einer teils sehr kabbeligen See waren einfach zu viel. Nach einer kurzen Frustphase erinnerte sich Peter, dass die alten Americas Cupper ihre Gennaker am Spibaum fuhren, um eine optimale Downwind-Performance zu erreichen. Wir probierten Selbiges und waren überrascht, wie schnell und tief wir fahren konnten. Die Performance überstieg teilweise sogar jene des Spinnakers. Auf diese Weise konnten wir den zweiten Platz zurückerobern und auf den Ersten weiter aufholen.

Als sich an Bord bereits ein gewisser Alltag etablierte kamen wir auf die Idee, bei Radio Ö3 anzurufen, um uns für unsere Angehörigen, Freunde und Verfolger des Blogs auf der GODSPEED Homepage den Song "SAIL" von "Awolnation" zu wünschen. Das Resultat waren mehrere Live-Schaltung mittels Sat-Phone sowohl auf Ö3 als auch auf Radio OÖ und Radio Steiermark. In Summe waren wir mit verschiedenen Interviews von Tom, Mike und Peter fünf mal im heimischen Radio zu hören. Andrea, unsere gute Seele der GODSPEED, war währenddessen Tag und Nacht damit beschäftigt unsere Blogeinträge, welche wir über das Yellow-Brick-Tracking-System kostenlos auf Facebook stellen konnten, in Form zu bringen und auf der Homepage zu veröffentlichen. Sie leitete uns auch per Mail sehr viele Nachrichten unserer Freunde weiter, die uns extrem motivierten. Sie versorgte auch unsere teils sehr besorgten Angehörigen in einer Whatsapp Family-Group immer mit den neuersten Informationen.

Auf jenem Head Up Displays, welches beim Walcrash den Geist aufgegeben hatte, klebte seit Annas (in unserer Klasse führende Yacht) Ankunft im Ziel ein Tape mit der Aufschrift der Zielzeit die wir erreichen mussten, um gegenüber Anna und somit die Gruppe zu gewinnen. Wir trimmten das Boot über Tage hinweg genau so intensiv wie bei einem Matchrace. Die Trimmer und Grinder wechselten sich im 15-Minuten Takt ab. Spischot und Winsch kühlten wir halbstündlich mit Seewasser da diese bereits kritische Temperaturen erreichten und angeschmolzene Stellen an den Schoten sichtbar wurden. Wir bekamen von der Heimat übers Sat-Phone ununterbrochen Motivations-Emails und Updates vom Tracking. Christian Pfann von Sail4One Racing war unser 10. Mann zu Hause und versorgte uns Tag und Nacht alle 4 Stunden mit Updates vom Tracking, da wir diese von Bord aus nicht abrufen konnten. Position, Geschwindigkeit und momentanes Heading der Schiffe in unserer Gruppe und Jener der anderen Gruppen in unserer Nähe interressierten uns, da wir dadurch die Genauigkeit der Grip-Files evaluieren konnten. Diese Informationen flossen maßgeblich in unsere Taktik ein. 

Als der 2. Gruppenplatz bereits in Stein gemeißelt schien und der Gruppensieg wieder in greifbarer Nähe war, riss am Morgen des 17. Tages leider auch unser Gennaker. Somit hatte die GODSPEED keine Vorwindsegel mehr zur Verfügung. Wir probierten mit allen mitteln zumindest den 2. Platz zu verteidigen und setzten dafür sogar unser Reservegroß als Gennaker am Spibaum. Das funktionierte zwar besser als gedacht und ermöglichte uns auf den letzten 70 Meilen einen etwas tieferen Raumwindkurs zu fahren, als es uns mit der Fock möglich gewesen wäre, brachte aber bei weitem keine so gute Performance wie ein Spi oder Gennaker wodurch wir am Ende nur den 3. Platz in der Gruppe erreichten. Auf gar keinen Fall aber brauchten wir uns Vorwürfe zu machen, dass wir nicht alles Erdenkliche versucht hätten, um unseren Speed am obersten Level zu halten. 3 Spinnaker und 1 Gennaker ins Jenseits gesegelt und last but not least das Cruising-Großsegel als Gennaker am Spinnakeraum zweckentfremdet.

Die Stimmung war bei unserer Ankunft in St. Lucia sehr ausgelassen. Von der Organisation mit einem "Welcome-Basket" mit Rum und frischen Früchten begrüßt, feierten wir zuerst mit unseren neuen Freunden aus Deutschland von der Yacht "Teamgeist", mit denen wir die letzten beiden Tage ununterbrochen matchten. Sie versorgten uns mit Bier und einigen interessanten Informationen wie es den anderen Segelbooten der ARC erging. Wir hörten von gesunkenen und entmasteten Schiffen, von verlassenen, treibenden Rettungsinseln und verletzten Personen. Wir wurden uns darüber bewusst, dass wir mit dem Ausgang unserer Überquerung durchaus glücklich sein konnten. Ohne zu wissen wer den 2. Platz erreichte, feierten wir gemeinsam mit unseren großen Konkurrenten von der Lintu ausgelassen bis in die frühen Morgenstunden. Die Information über die engültige Platzierung erreichte uns erst am nächsten Tag.

Es war für viele in der Crew die erste Ozeanüberquerung und eine unglaubliche Erfahrung. Die größte offene Wasserfläche auf unseren Planeten und sicherlich auch ein MUST HAVE für jeden, der sich einen "richtigen" Blauwassersegler nennen möchte. Ein wunderschöner Sternenhimmel, drei Walsichtungen und unendlich viele fliegende Fische, welche teils im Salon und teils in den Kaputzen der Crewmitglieder landeten sind nur einige der neuen Erfahrungen die wir auf dieser Reise machen konnten. Wir können mit reinem Gewissen jedem mehr oder weniger erfahrenen Adria Segler nahe legen, eine solche Überquerung auf seine TODO-List zu setzen. Sei es das Verbessern der eigenen Steuerfähigkeiten bei Welle, die Möglichkeit sich über Wochen hinweg von anderen Seglern Tipps und Tricks fürs Trimmen und fürs Boat-handling abzuholen oder die Kunst der Astronaviagation und der Arbeit mit dem Sextanten zu erlernen. Eine solche Atlantik-Überquerung ist eine seglerische Horizonterweiterung die seines Gleichen sucht.

GODSPEED

David Höllinger

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Kommentare: 2
  • #1

    Peter (Sonntag, 11 Dezember 2016 21:28)

    Ich möchte mich bei jedem Einzelnen von Euch bedanken für die Motivation, Eurem Einsatz und das sensationelle "Betriebsklima", welches wir an Bord hatten. Ihr wart eine tolle Crew und die Strapazen waren mit so einem Team ganz leicht weg zu stecken. Unser sensationelles Ergebnis spiegelt den vollsten Einsatz aller unserer Ressourcen. Danke nochmal an die ARC-Crew für ALLES!
    Es war mir eine Ehre mit Euch den Atlantik im Race-Modus zu überqueren.
    Peter

  • #2

    Andreas Steinkogler (Mittwoch, 14 Dezember 2016 22:00)

    Gratuliere Dir Herzlich zu deiner Atlantik Überquerung Peter alles Gute Dein Bruder Liebe Grüße Andreas.